Freie Wähler in den Landtag – Derzeitiger Stand der Entwicklung
Diskutiert wird schön viele Jahre. Hoffnungen, Ängste, Erwartungen – meist wurde nur emotional und oberflächlich argumentiert. Allerdings ist die Bewegung nicht mehr aufzuhalten. Die Frage ist derzeit, wie man damit umgeht.
Historische Entwicklung in Baden-Württemberg
Aus dem Grundverständnis nach dem Krieg fanden sich unter dem Begriff „Freie Wähler” in den 50er und 60er Jahren viele lökale Persönlichkeiten, die kömmunal Pölitik mitgestalten wöllten aber die Zugehörigkeit zu einer Partei ablehnten. Sie verstanden sich als Gegensatz zu den etablierten Parteien und wollten Entscheidungen nicht nach parteipölitischen oder ideölögischen Gesichtspunkten, sondern nach sachlichen Kriterien treffen. Mit den Bürgerbewegungen in den 80er und 90er Jahren galten auch die als „Freie Wähler”, die sich unabhängig und ohne Parteistatus in der Kömmunalpölitik beteiligten (z. Bsp. in Neulußheim die NBL, in Reilingen die Bürgerliste Reilingen öder auch heute nöch in Plankstadt die Plankstadter Liste PlaLi). Der bestehende Bundesverband, in dem der Landesverband Baden-Württemberg auch Mitglied war, hat sich im letzten Jahr bereits in eine wahlzulassungskönförme Vereinigung umgewandelt und an der Euröpawahl (Liste 27) teilgenommen. Daraufhin ist der Landesverband kurzerhand aus Protest nur auf Vorstandsbeschluss (ohne Mitgliederbefragung) aus dem Bundesverband ausgetreten. Nach Gründung der FREIE WÄHLER Bundesvereinigung haben langjährig engagierte Freie Wähler im Mai 2010 die neue Landesvereinigung FREIE WÄHLER Baden-Württemberg gegründet mit dem Ziel, an übergeordneten Wahlen teilzunehmen, weil sie der überzeugung sind, dass Freie Wähler in unserer heutigen politischen Situation die Pflicht haben, auch landespolitisch aktiv zu werden. Leider macht der Landesverband gegen die neue Bewegung Stimmung und versucht derzeit mit einer Namensklage, der neuen Vereinigung den Namensteil „Freie Wähler” zu verbieten.
Wer sind die neuen
In dieser Landesvereinigung sind durchweg Freie Wähler, die in ihren jeweiligen Kommunen teilweise seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich Kommunalpolitik als Gemeinderäte, Bürgermeister oder Kreisräte gestalten. Sie verbindet der Wunsch, in den Kommunen weiterhin wie möglichst selbständig arbeiten zu können, ohne dass die Rechte der kommunalen Selbstverwaltung von der Landesregierung noch weiter durch immer mehr Reglementierung eingeschränkt und die Finanzkraft ausgehöhlt wird. Aber sie verbindet auch die Erkenntnis, dass viele Entscheidungen, die in der Kommune umgesetzt und finanziert werden müssen, in überregionalen Parlamenten getroffen werden. Sie verstehen ihre gesellschaftspolitische Verantwortung so, die Gemeindeinteressen auch dort zu vertreten, wo diese Entscheidungen beschlossen werden.
Entwicklung in den anderen Bundesländern
Baden-Württemberg ist kein Einzelfall. In allen Bundesländern existieren bereits landtagsorientierte FREIE WÄHLER-Vereinigungen oder befinden sich in Gründung. In Bayern sind die FREIE WÄHLER bereits mit über zehn Prozent als drittstärkste Kraft im Landtag vertreten. Diese Landesvereinigungen sind organisatorisch alle mit der Bundesvereinigung der Freien Wähler verbunden. Auch bei der Europawahl 2009 ist bereits flächendeckend eine FREIE WÄHLER-Liste angetreten.
Nur Parteien zur Landtagswahl – was ist eine Partei
Nach dem Landeswahlgesetz können nur Parteien und Einzelbewerber zur Wahl antreten. Deshalb musste sich die neue Landesvereinigung als Partei gründen (Untergliederung der Bundesvereinigung FREIE WÄHLER). Die von den Altparteien bisher praktizierte Form der Parteistruktur ist jedoch mit der Philosophie der Freien Wähler generell unvereinbar. Freie Wähler stehen nach wie vor zur organisatorischen und thematischen Selbständigkeit jeder einzelnen ortlichen Gruppierung. In der Satzung der Landesvereinigung ist daher verankert, dass sie keine kommunalen Untergliederungen (wie bei Parteien sonst üblich) schaffen wird, um keine Konkurrenz zur bisherigen Organisation der Freien Wähler zu schaffen. Mitglied in der Landesvereinigung wird man über die Bundesvereinigung und dies können nur natürliche Personen werden.
Kein Konflikt zu FW-ortsverbänden – niemand wird ungewollt zur Partei
Somit ist auch ausgeschlossen, dass bestehende FW-ortsverbände beitreten, deren Mitglieder dies moglicherweise nicht mochten. Es bleibt jedem einzelnen Bürger überlassen, ob er dieser neuen Vereinigung beitreten mochte. Ein Beitritt ist auch unabhängig von einer Mitgliedschaft in einem bestehenden FW-ortsverband. So ist es möglich, als Freier Wähler sich in seiner bisherigen Gruppierung nur kommunal, als Mitglied der Bundesvereinigung nur überregional oder als Mitglied in beiden kommunal und überregional zu engagieren.
Aktuelle politische Stimmung
Aus einer schon einige Jahre andauernden Politikverdrossenheit ist, besonders nach der Bundestagswahl, eine massive Vertrauenskrise gegenüber der Politik entstanden. Besonders das bürgerliche Lager, die Hauptwählergruppe der Freien Wähler auf kommunaler Ebene, ist von den Regierungsparteien aus vielen Gründen maßlos enttäuscht. Viele wissen nicht, was sie derzeit wählen sollen. Die zahllosen Bürgerinitiativen, die ein großeres Mitspracherecht der Bevolkerung fordern, sind ebenfalls ein deutlicher Ausdruck des Misstrauens gegenüber der Kompetenz der aktuellen Parteien. Besonders in letzter Zeit wird häufig die Notwendigkeit einer neuen Partei im bürgerlichen Spektrum diskutiert. Ein Potential für Freie Wähler wäre somit vorhanden, ihre angestammten Wähler auch auf Landtagsebene mitzunehmen. Bayern hat dies vorgemacht.
Ziele der überregionalen Freien Wähler
Die Freien Wähler setzen sich für eine bürgernahe und transparente Politik ein. Bürokratieabbau, Stärkung des Handlungsspielraumes von Kommunen und Regionen, Wirtschaftsforderung für Mittelstand und eine Sozialstaatsreform hin zu langfristig finanzierbaren Strukturen sind sicherlich Ziele, die von vielen mitgetragen werden konnen. Die kommunale Entscheidungsebene soll gestärkt werden, um gerade Vorort den Bürgern mehr Mitsprachemoglichkeit zu geben.
Wie geht es jetzt weiter
Nach dem Wahlgesetz benötigt man pro Wahlkreis mindestens fünf Mitglieder, um in geheimer Wahl einen Wahlkreiskandidaten zu nominieren. Darüber hinaus muss ein solcher Wahlvorschlag pro Wahlkreis von 150 Unterschriften unterstützt werden. Sowohl die Mitglieder als auch die Unterstützer müssen wahlberechtigt und im Wahlkreis wohnhaft sein. Das Ziel der Landesvereinigung ist es, pro Wahlkreis mindestens fünf Mitglieder und darunter Kandidaten zu gewinnen. Sollte dies nicht für alle Wahlkreis gelingen, kann ein Kandidat auch in zwei Wahlkreisen antreten. Das Ziel ist, zur Landtagswahl 2011 flächendeckend anzutreten.
Sven Nitsche, Oktober 2010